Rücktritt vom Kaufvertrag bei Osmose?

Ein Osmosebefall des Schiffes ist der Schrecken aller Eigner. Die „Bläschenpest“ greift die Substanz des Schiffes an, eine fachgerechte Osmosesanierung ist mit erheblichen Kosten verbunden. Wird nach Übernahme des gekauften Gebrauchtboots Osmose festgestellt, kommt es häufig zu rechtlichen Auseinandersetzungen und der Käufer wirft die Frage auf, ob er den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären kann.

Der Fall

Das Oberlandesgericht Saarbrücken (OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.02.2020 – 5 U 48/19) befasste sich im Jahr 2020 mit den Rechtsfolgen einer zugesagten aber tatsächlich nicht gegebenen Osmosefreiheit eines verkauften GfK-Sportbootes.

Der Kläger verkaufte dem Beklagten im Juni 2016 ein gebrauchtes Sportboot zu einem Kaufpreis von 89.000,- EUR. Während der Vertragsverhandlungen waren die Parteien übereingekommen, dass die vom Verkäufer mitgeteilte Osmosefreiheit des Sportbootes Gegenstand des Kaufvertrages werden solle. Der Beklagte leistete nach Vertragsschluss die vereinbarte Anzahlung. Den restlichen Kaufpreis in Höhe von 75.650,- EUR bezahlte der Käufer nicht. Der restliche Kaufpreis war nach den Regelungen des Kaufvertrages erst nach erfolgreichem „Osmosescheck“ fällig. Der Kaufvertrag enthielt in diesem Zusammenhang folgende Regelung: „Das Schiff wird vor Übergabe an den Käufer noch einmal aus dem Wasser gekrant … und auf offensichtliche Osmose (sichtbare Blasenbildung am Rumpf) und auf eventuelle Schäden begutachtet … Sollte widererwartend Osmose vorhanden sein, übernimmt der Verkäufer die angefallenen Krankosten. Sowohl Käufer als auch Verkäufer haben in diesem Fall das Recht, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Das hat in Schriftform binnen 3 Tagen nach Begutachtung zu geschehen…“.

Ende Juli 2016 wurde das verkaufte Boot in Anwesenheit der Vertragsparteien aus dem Wasser gekrant. Die Parteien nahmen das Boot, dessen Rumpf zu diesem Zeitpunkt mit einer Antifoulingschicht überzogen war, in Augenschein. Eine Blasenbildung, die ein Zeichen für eine Schädigung des Schiffsrumpfs durch Osmose gewesen wäre, stellten sie nicht fest. Eine sachverständige Begutachtung auf Osmoseschäden erfolgte zu diesem Zeitpunkt nicht. Erst Anfang August im Rahmen der vom Käufer beauftragten Erneuerung der Antifoulingschicht wurden bei den Schleifarbeiten Osmoseblasen entdeckt. Der Käufer setzte den Verkäufer über diesen Umstand sofort in Kenntnis und erklärte schriftlich den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Der Verkäufer war mit dem erklärten Rücktritt nicht einverstanden und klagte den noch offenen Restkaufpreis ein. Zur Begründung trug er vor, dass der Bootsrumpf nicht durch Osmose geschädigt sei. Bei der Übergabe des Bootes nach dem Kranen in der Werft seien keine sichtbaren Osmoseblasen am Schiffsrumpf vorhanden gewesen. Dem Beklagten hätte das vertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht nur zugestanden, wenn eine augenscheinliche, bereits beim Auskranen sichtbare Blasenbildung vorhanden gewesen wäre.

Dem widersprach der Käufer. Ein Osmoseschaden habe bereits bei Übergabe vorgelegen. Er habe dem Verkäufer von Anfang an deutlich gemacht, dass er nur ein gebrauchtes Boot ohne Osmoseschäden erwerben wolle. Daher sei auch die Rücktrittsklausel in den Vertrag aufgenommen worden. Der Rücktritt sei wirksam, weshalb der Käufer den Verkäufer widerklagend auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung in Anspruch nahm.

Das in der ersten Instanz eingeholte Sachverständigengutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Rumpf des verkauften Bootes durch Osmose tatsächlich geschädigt war. Das Landgericht wies die Klage des Verkäufers auf Zahlung des Restkaufpreises deshalb ab und verurteilte ihn zur Rückzahlung der Anzahlung. Der Verkäufer legte daraufhin Berufung ein.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies die Berufung des Verkäufers zurück. Die Entscheidung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Zwischen den Parteien sei eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden. Als Soll-Beschaffenheit sei eine Osmosefreiheit vereinbart worden, die tatsächliche Ist-Beschaffenheit sei dahinter zurückgeblieben. Die vertraglichen Rücktrittsvoraussetzungen lägen damit vor.

Osmoseblasen, die nach einem Entfernen der Antifoulingschicht zu erkennen seien, stellten eine bei einer Begutachtung festgestellte offensichtliche Osmose dar. Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn man die vertragliche Regelung dahingehend auslegen würde, dass eine Blasenbildung bereits durch eine bloße Sichtprüfung hätte erkennbar sein müssen. Für eine solche Auslegung gebe es keine Anhaltspunkte. Die Regelung spricht nicht von Sichtprüfung, sondern von Begutachtung. Eine Begutachtung einer Osmose sei aber nach den Ausführungen des Sachverständigen mehr als eine Sichtprüfung, vor allen Dingen, wenn eine Antifoulingbeschichtung aufgetragen ist.

Das Rücktrittsrecht sei auch nicht auf eine besonders schwere Form einer osmotischen Schädigung beschränkt worden, so dass der Rücktritt wirksam erklärt worden sei. Eine Zahlung des Restkaufpreises schulde der Käufer daher nicht, vielmehr habe der Käufer Anspruch auf Rückzahlung der Anzahlung.

Einordnung: Rücktritt bei Sachmangel, Osmose gleich Sachmangel?

Der Käufer in unserem Fall betrieb hinsichtlich der Osmose-Problematik in vorbildlicher Weise Risikovorsorge. Er ließ sich die Osmosefreiheit des Sportbootes verbindlich zusichern und ein vertragliches Rücktrittsrecht einräumen. Ohne die getroffenen Vorkehrungen wäre der Weg des Käufers zu einem für ihn positiven Gerichtsurteil wesentlich schwerer gewesen.

So hätte er zunächst nachweisen müssen, dass der osmosebedingte Schaden am Rumpf überhaupt ein Sachmangel darstellt. Liegt keine Beschaffenheitsvereinbarung vor, kommt es darauf an, ob sich die Kaufsache zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Verwendung eignet. Notwendig ist, dass die Parteien eine gewisse Verwendung übereinstimmend unterstellen oder vertraglich vereinbaren. Fehlt es, wie häufig, an einem besonderen Verwendungszweck der Kaufsache, kommt es darauf an, ob sie sich zu der gewöhnlichen Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht stellte im Jahr 2011 in diesem Kontext fest, dass ab einem gewissen Schiffsalter schon aufgrund des Einwirkens des Wassers mit großer Wahrscheinlichkeit von osmotischen Prozessen auszugehen sei. Bei älteren Schiffen sei daher ein Osmosebefall für sich genommen noch nicht ausreichend, um einen Sachmangel zu begründen. Maßgeblich sei dessen Grad und die Auswirkungen auf das Laminat. Erst wenn der osmosebedingte Schaden auch angesichts des Alters das in Kauf zu nehmende Maß übersteige, sei ein Sachmangel anzunehmen (OLG Schleswig, Urteil vom 16.09.2011- Az. 17 U 3/11).

Ob ein Sachmangel vorliegt, entscheidet damit in der Regel letztendlich der gerichtlich bestellte Sachverständige. Der Käufer muss durch Sachverständigengutachten nachweisen, dass die vorhandenen Schäden über das bei dem Alter des Schiffes zu Erwartende und Übliche hinausgehen. Im unserem Ausgangsfall konnte sich der Käufer diesen Nachweis ersparen und auf die getroffene Beschaffenheitsvereinbarung verweisen. Weiterer Vorteil der getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung war aus Käufersicht, dass er sich einen etwaigen Gewährleistungsausschluss nicht entgegenhalten lassen musste. Besteht eine Beschaffenheitsvereinbarung ist für einen Gewährleistungsausschluss kein Raum.

Bei einem beabsichtigten Rücktritt vom Kaufvertrag wegen eines Sachmangels ist der Verkäufer zunächst zur Nacherfüllung, d.h. Beseitigung des Sachmangels aufzufordern. Andernfalls ist der Rücktritt unwirksam. In unserem Ausgangsfall war eine entsprechende Aufforderung zur Nacherfüllung nicht erfolgt. Dies war ausnahmsweise unschädlich, da der Käufer seinen Rücktritt nicht auf das gesetzliche, sondern auf das vertragliche Rücktrittsrecht stützte. Dieses sah das Erfordernis einer Aufforderung zur Nacherfüllung nicht vor.

Praxishinweis

Der Käufer eines Sportbootes sollte sich (sofern es die Verhandlungsposition zulässt) alle für ihn wichtigen Eigenschaften des Bootes – wie z.B. die Osmosefreiheit – im Rahmen einer Beschaffenheitsvereinbarung zusichern lassen. Verknüpft er die Beschaffenheitsvereinbarung mit einem vertraglichen Rücktrittsrecht, kann er im Falle einer Verletzung der Beschaffenheitsvereinbarung kurzfristig vom Vertrag zurücktreten.