Die grobe Fahrlässigkeit des Skippers und die Folgen für den Versicherungsschutz

Was ist zu tun, wenn vor Antritt der Fahrt nicht feststeht, wer Schiffsführer ist? Der verantwortliche Fahrzeugführer muss bestimmt werden. So beginnt der Fragen- und Antwortenkatalog für die amtlichen Sportbootführerscheine Binnen und See. Bereits die prominente Stellung im Fragen- und Antwortenkatalog macht deutlich, dass dem verantwortlichen Fahrzeugführer auch im Sportbootbereich eine hervorgehobene Stellung zukommt. Der verantwortliche Fahrzeugführer, auch Skipper genannt, trägt die Verantwortung für die Sicherheit von Schiff und Besatzung. Verantwortung ist stets Anknüpfungspunkt für haftungsrechtliche Fragestellungen. Verursacht der Skipper schuldhaft einen Sach- oder Personenschaden haftet er grundsätzlich persönlich und unbeschränkt. Dieses unüberschaubare Haftungsrisiko wird regelmäßig über eine Sportboot-Haftpflichtversicherung, eine Sportboot-Kaskoversicherung und/oder eine Skipper-Haftpflichtversicherung abgesichert.

Fahrlässige, grob fahrlässige oder vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls

Ein Schaden kann fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführt worden sein. Die Feststellung des Verschuldensgrades hat für den Versicherungsschutz weitreichende Folgen. Die Haftpflichtversicherung ist bei fahrlässiger und grob fahrlässiger Schadensverursachung stets vollumfänglich einstandspflichtig. Nur bei vorsätzlicher und widerrechtlicher Herbeiführung des Schadens kann die Haftpflichtversicherung die Schadensregulierung verweigern, § 103 VVG.

Anders in der Kaskoversicherung. Diese sichert Schäden am eigenen Boot ab. Der zur Schadensregulierung herangezogene Kaskoversicherer wird stets prüfen, ob der Versicherungsfall fahrlässig, grob fahrlässig oder gar vorsätzlich herbeigeführt worden ist. Während bei einfacher Fahrlässigkeit der Kaskoversicherer den Schaden im Rahmen des vertraglich vereinbarten Versicherungsschutzes zu regulieren hat, schließt die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls die Leistungspflicht des Versicherers aus. Beruht der Schaden auf grob fahrlässigem Verhalten des Skippers ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

Bei der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen Skipper und seiner Versicherung wird die zur Schadenregulierung aufgerufene Versicherung regelmäßig sehr genau prüfen, ob das Verhalten des Skippers nicht als grob fahrlässig einzuordnen ist. Ist von grober Fahrlässigkeit auszugehen, entbrennt zwischen den Vertragsparteien häufig der Streit, in welchem Umfang die Versicherung ihre Versicherungsleistung kürzen darf.  

Wann ist von grober Fahrlässigkeit des Skippers auszugehen?

Das Oberlandesgericht Köln (OLG Köln, Urteil vom 24.06.2014 – 9 U 225/13) definierte grob fahrlässiges Verhalten wie folgt: Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Maße außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müsste. Das Fehlverhalten muss auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbar sein. Bei einem Bootsunfall sind insbesondere die Maßstäbe des Schiffsverkehrs zu berücksichtigen. Im Rahmen der Bewertung ist das allgemeine seemännische Grundwissen der beteiligten Kreise heranzuziehen.

Ausgangspunkt für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit ist demnach die grobe Missachtung der Regeln guter Seemannschaft. Hierunter versteht man diejenigen Fertigkeiten, die ein Skipper zur praktischen Handhabung (s)eines Wasserfahrzeuges beherrschen muss. Die Anforderungen sind sehr vielseitig, sie variieren je nach Schiffstyp, dem Fahrtgebiet und den äußeren Rahmenbedingungen. Zur Beurteilung, ob ein objektiv schwerwiegender Verstoß gegen die Regeln guter Seemannschaft vorliegt, können gesetzliche Vorgaben wie etwa das Internationale Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS), Handbücher zur Seemannschaft und die Veröffentlichungen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie zur Sicherheit im See- und Küstenbereich herangezogen werden. Das Oberlandesgericht Hamm griff in einer Entscheidung aus dem Jahr 1995 auf die Richtlinien der Kreuzerabteilung des Deutschen Seglerverbandes e.V. als internationale und nationale Richtlinien für die Mindest-Sicherheitsausrüstung und -einrichtung zurück, da die dort maßgebliche Bestimmung als Selbstverständlichkeit Allgemeingültigkeit auch außerhalb des Verbandsrechts beanspruchen könne (OLG Hamm, Urteil vom 14.03.1996 – 27 U 192/95).

Wird ein objektiv schwerwiegender Verstoß gegen die Regeln guter Seemannschaft festgestellt, muss der Verstoß darüber hinaus auch subjektiv unentschuldbar sein. Maßgeblich sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, eine schematische Betrachtungsweise verbietet sich. Dies gilt in besonderem Maße bei der Beurteilung von Verhaltensweisen in Seenotfällen.

Grobe Fahrlässigkeit stellte das Oberlandesgericht Köln zum Beispiel in folgender Sachverhaltskonstellation fest: Ein Schiffsführer stellte bei einer Geschwindigkeit des Bootes von 25 bis 27 Knoten den Autopilot ein, verließ den Steuerstand und begab sich in die Nähe des Heckbereichs, von wo aus er über Bord fiel. Das Boot fuhr unbemannt weiter und zerschellte an Felsen. Das Oberlandesgericht kürzte hier den Entschädigungsbetrag um 30 % (OLG Köln, Urteil vom 24.06.2014 – 9 U 225/13).

Welche Folgen hat es, wenn der Versicherungsnehmer und der grob fahrlässig handelnde Skipper nicht personenidentisch sind?

Versicherungsnehmer ist derjenige, der Vertragspartei des Versicherungsvertrages ist, den Versicherungsschutz nimmt und den Versicherungsbeitrag schuldet. Nicht immer ist der Skipper auch Versicherungsnehmer. Für die Eintrittspflicht der Kaskoversicherung ist dies unschädlich. Regelmäßig deckt die Wassersport-Kaskoversicherung auch Versicherungsfälle ab, die vom Skipper, der nicht auch Versicherungsnehmer ist, verursacht wurde. Zu klären ist, ob die Kaskoversicherung die Versicherungsleistung unter Verweis auf eine grobe Fahrlässigkeit des Skippers kürzen darf.

Eine grob fahrlässige Schadensverursachung durch den Skipper geht in der Regel nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers. Der Wortlaut des maßgeblichen § 81 Abs. 2 VVG stellt allein auf die Verhaltensweise des Versicherungsnehmers ab. Nur wenn der schadensverursachende Skipper zugleich so genannter Repräsentant des Versicherungsnehmers ist, kann die Kaskoversicherung den Entschädigungsbetrag kürzen. Ob der Skipper Repräsentant des Versicherungsnehmers ist, ist stets anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Erforderlich ist zumindest die Übertragung der alleinigen, nicht nur vorübergehenden Obhut des Bootes. Der Skipper muss also in vollem Umfang die Betreuung des versicherten Bootes übernommen und somit an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten sein. Das Oberlandesgericht Köln beleuchtete in einer Entscheidung aus dem Jahr 2002 intensiv die Anforderungen an eine Repräsentantenstellung (OLG Köln, Urteil vom 30.04.2002 – 9 U 94/01):

„2. Es kann dahinstehen, ob der Zeuge Dr. H. die Schäden an der Segelyacht durch nautische Fehler verursacht hat, die den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit rechtfertigen. Für ein etwaiges Fehlverhalten des Zeugen Dr. H. hat der Kläger jedenfalls nicht einzustehen, da der Zeuge nicht Repräsentant des Klägers ist und auch kein sonstiger Zurechnungsgrund vorliegt.

a) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Repräsentant, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist. Die bloße Überlassung der Obhut über die versicherte Sache reicht hierzu nicht aus. Repräsentant im Sinne einer Risikoverwaltung kann nur sein, wer befugt ist, selbständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln (BGH, VersR 1996, 1229, 1230; r+s 1993, 321, 323). In der Kraftfahrzeugkaskoversicherung ist anerkannt, dass allein das Führen eines Kraftfahrzeugs keine Repräsentantenstellung begründet. Dem Dritten müssen vielmehr darüber hinaus auch wesentliche weitere Befugnisse und Aufgaben aus dem Pflichtenkreis des Versicherungsnehmers zur selbständigen Erledigung übertragen sein. Davon kann z. B. ausgegangen werden, wenn der Dritte daneben eigenverantwortlich umfassend für die Verkehrs- und Betriebssicherheit zu sorgen hat (BGH, VersR 1996, 1229, 1231; Senat, VersR 1998, 1541).

Die Rechtsprechung stellt insgesamt hohe Anforderungen an die Übertragung der Risikoverwaltung auf einen Dritten. Zwar kann die Überlassung der Obhut dann als entscheidendes Merkmal in Betracht kommen, wenn es sich um Sachen handelt, die einer ständigen Betreuung bedürfen. Erforderlich ist aber auch in diesen Fällen zumindest die Übertragung der alleinigen, nicht nur vorübergehenden Obhut. Der Dritte muss also in vollem Umfang die Betreuung der versicherten Sache übernommen und somit an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten sein (BGH, r+s 1993, 321, 323). Der Versicherungsnehmer muss sich der Verfügungsbefugnis und der Verantwortlichkeit für den versicherten Gegenstand vollständig begeben haben (BGH, VersR 1990, 736).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Zeuge Dr. H. nicht als Repräsentant des Klägers anzusehen. Der Zeuge war nicht für die Betriebs- und Verkehrssicherheit der Segelyacht verantwortlich. Der Kläger hatte ihm lediglich die Führung des Schiffes übertragen. Nach den Erklärungen der Parteien im Termin vor dem Senat und den insoweit nachgelassenen Schriftsätzen ist zwar davon auszugehen, dass Dr. H. als Skipper für sämtliche Manöver während der Überfahrt von Malta nach Mallorca die alleinige Verantwortung trug. Er bestimmte, welcher Kurs mit welcher Besegelung gefahren wurde und ob z. B. ein Nothafen oder eine windgeschützte Bucht angelaufen werden sollte. Diese Stellung als Schiffsführer während einer einzigen Überfahrt reicht für eine Repräsentantenstellung jedoch nicht aus. Denn darin liegt allenfalls eine vorübergehende Übertragung der Obhut, nicht aber die vollständige Übertragung auf längere Dauer. Der Kläger hatte sich dadurch der Verfügungsbefugnis und der Verantwortung für die Yacht nicht vollständig begeben. Da er selbst an Bord war, hätte er sogar die Möglichkeit gehabt, auf die Entscheidungen des Zeugen Dr. H. Einfluss zu nehmen. In jedem Fall war aber die Obhutsübertragung auf eine einzige Überfahrt begrenzt, so dass der Zeuge Dr. H. nicht an die Stelle des Klägers getreten ist.“

Der Versicherungsnehmer haftet mithin nur für eigenes Verschulden und muss sich das grob fahrlässige Verhalten des Skippers nicht zurechnen lassen, solange diesem nicht die Stellung eines Repräsentanten zukommt.

Fazit

Die Differenzierung zwischen fahrlässiger und grob fahrlässiger Schadensverursachung ist in der Haftpflichtversicherung unbedeutend. In der Sportboot-Kaskoversicherung berechtigt die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls die Kaskoversicherung indes zur Kürzung der Versicherungsleistung. Ob eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls ermittelt werden. Ist der Skipper nicht zugleich Versicherungsnehmer schadet die grob fahrlässige Verhaltensweise nur, wenn der Skipper Repräsentant des Versicherungsnehmers ist.