Die Regeln guter Seemannschaft

Schiffsführer in der Berufs- und Sportschifffahrt haben neben den gesetzlichen Bestimmungen auch die Regeln guter Seemannschaft zu beachten. Was man unter der Begrifflichkeit der Regeln guter Seemannschaft genau versteht und welche rechtliche Bedeutung den Regeln guter Seemannschaft zukommt, soll nachfolgend erläutert werden.

Was sind Regeln der guten Seemannschaft?

Die Regeln guter Seemannschaft definieren diejenigen Verhaltensweisen und Sorgfaltspflichten, die ein Schiffsführer bei der praktischen Handhabung des Wasserfahrzeugs an den Tag legen muss. Sie sind vielseitig und gehen als ungeschriebene, allgemein anerkannte Verhaltensregeln über die gesetzlich geschriebenen Regelungen hinaus.

Die Regeln guter Seemannschaft beschreiben also die ungeschriebenen, seemännischen Sorgfaltspflichten in Bezug auf das Verkehrsverhalten, die Schiffsführung und die Schiffssicherheit, die vom Schiffsführer zu beachten sind. Ihnen kommt dabei weder Gesetzescharakter zu noch sind sie abschließend. Ihre inhaltliche Ausgestaltung erhalten sie im Wesentlichen durch Empfehlungen beispielsweise des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie zur Sicherheit im See- und Küstenbereich, des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur oder aus Verlautbarungen der Verbände (vgl. Kammergericht, Urteil vom 18.07.2006 – 6 U 43/05). So griff das Oberlandesgericht Hamm in einer Entscheidung aus dem Jahr 1995 auf die Richtlinien der Kreuzerabteilung des Deutschen Seglerverbandes e.V. als internationale und nationale Richtlinien für die Mindest-Sicherheitsausrüstung und -einrichtung zurück, da die dortigen Bestimmungen als Selbstverständlichkeit Allgemeingültigkeit auch außerhalb des Verbandsrechts beanspruchen könnten (OLG Hamm, Urteil vom 14.03.1996 – 27 U 192/95). Herangezogen werden kann ferner die zur Seemannschaft ergangene Fachliteratur.

Welche Gebote statuieren die Regeln der guten Seemannschaft?

Die Anforderungen an den Schiffsführer variieren je nach Schiffstyp, dem Fahrtgebiet und den äußeren Rahmenbedingungen, weshalb eine abschließende Aufzählung der Regeln der guten Seemannschaft unmöglich ist. Die nachfolgenden Darstellungen sind daher nur beispielhafter Natur.

  • Nach den Regeln der guten Seemannschaft muss sich ein Bootseigner in regelmäßigen Abständen vom ordnungsgemäßen Zustand des gesamten Bootes und aller im Boot eingebauten Aggregate, Tanks und Versorgungsleitungen überzeugen (AG Mannheim, Urteil vom 16. 7. 2009 – 31 C 1/08).
  • Vor Fahrtantritt hat der Schiffsführer die Besatzungsmitglieder und Gäste über die Sicherheitsvorkehrungen an Bord zu unterrichten, in die Handhabung der Rettungs- und Feuerlöschmittel einzuweisen und auf geeignete Maßnahmen gegen das Überbordfallen hinzuweisen (vgl. Nr. 8 des Fragen- und Antwortenkatalogs für die amtlichen Sportbootführerscheine Binnen und See).
  • Er hat vor Fahrtantritt die Seetüchtigkeit des Schiffs eigenständig zu prüfen, insbesondere auch sicherzustellen, dass Bullaugen, Luken (OLG Hamm, Urteil vom 14.03.1996 – 27 U 192/95) und Seeventile (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 11.02.2011 – 1 U 99/09 für Bootswerft) geschlossen sind.
  • In schwierigen Lagen sind alle zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmittel zu nutzen (OLG Hamburg, Urteil vom 15.06.1978 – 6 U 24/78).
  • Der Schiffsführer ist zudem verpflichtet, solche Vorkehrungen zu treffen, die es ihm ermöglichen, trotz Dunkelheit sowohl Schifffahrtszeichen als auch Gefahrenstellen so rechtzeitig zu erkennen, dass er noch rechtzeitig angemessen reagieren kann (Kammergericht, Urteil vom 06.01.2005 – 12 U 244/03).

Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß gegen die Regeln guter Seemannschaft?

Ein Verstoß gegen die Regeln guter Seemannschaft kann in verschiedenen Rechtsgebieten Bedeutung zukommen.

Die Regeln guter Seemannschaft sind im Schiffsverkehr zu beachten und erlangen daher im Verkehrsrecht Relevanz. So heißt es beispielsweise in § 1.04 der BinSchStrO: „Über die Anforderungen nach dieser Verordnung hinaus hat jeder Verkehrsteilnehmer auf Binnenschifffahrtsstraßen alle Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, welche die allgemeine Sorgfaltspflicht und die Übung der Schifffahrt gebieten, um insbesondere 1. die Gefährdung von Menschenleben zu vermeiden, 2. die Beschädigung anderer Fahrzeuge oder Schwimmkörper, der Ufer, der Regelungsbauwerke sowie von Anlagen jeder Art in der Wasserstraße oder an ihren Ufern zu vermeiden, 3. die Behinderung der Schifffahrt zu vermeiden und 4. jede vermeidbare Beeinträchtigung der Umwelt zu verhindern.“ Werden die Regeln guter Seemannschaft nicht beachtet und gegen § 1.04 Nummer 1, 2 oder 3 verstoßen und hierdurch das Leben eines anderen gefährdet, ein Fahrzeug, ein Schwimmkörper, das Ufer, ein Regelungsbauwerk oder eine dort genannte Anlage beschädigt oder die Schifffahrt behindert, wird nach §§ 5 Abs. 2 Nr. Nr. 3 BinSchStrEV, 7 Abs. 1 BinSchAufgG eine Ordnungswidrigkeit begangen. Verstöße gegen die Regeln guter Seemannschaft können also strafbewehrt sein.

Auch für das Zivil- und Versicherungsrecht sind die Regeln guter Seemannschaft bedeutsam. Sie konkretisieren die allgemeinen Sorgfaltspflichten (Kammergericht, Urteil vom 18.07.2006 – 6 U 43/05) und sind daher für Haftungsfragen von Relevanz. In der Sportboot-Kaskoversicherung prüft die Versicherung regelmäßig, ob gegen die Regeln guter Seemannschaft vorwerfbar und grob fahrlässig verstoßen wurde. Trifft dies zu, kann sie die Versicherungsleistung kürzen (mehr zu diesem Thema finden Sie hier).

Fazit

Die Regeln guter Seemannschaft definieren als ungeschriebene, allgemein anerkannte Regeln die Verhaltensweisen und Sorgfaltspflichten, die ein Schiffsführer bei der praktischen Handhabung des Wasserfahrzeugs beachten muss. Wird gegen die Regeln guter Seemannschaft verstoßen, kann dies verkehrs(straf)rechtliche, zivilrechtliche oder versicherungsrechtliche Konsequenzen haben.