Haftung des Segelschülers bei Bootsunfall

Segelmanöver können misslingen. Insbesondere während der praktischen Segelausbildung fehlt es noch – wie soll es auch anders sein – an seglerischen Fertigkeiten und Erfahrung. Misslingt während der Ausbildung oder der Segelprüfung ein Manöver und kommt es dabei zu einer Beschädigung des Schulungsboots, stellt sich die Frage nach der Haftung des Segelschülers.

Die Haftung des Segelschülers war bereits Gegenstand mehrerer gerichtlicher Entscheidungen. Den Entscheidungen lagen missglückte Anlegemanöver oder nicht weisungsgemäße bzw. nicht ordnungsgemäß ausgeführte Manöver zugrunde, die zu Kollisionen mit der Steganlage und Aufprallschäden führten. Die Wassersportschulen warfen den Segelschülern (grob) fahrlässiges Verhalten vor und nahmen sie für die entstandenen Schäden in Regress.

Oberlandesgericht Hamm: Ausbilder als verantwortlicher Schiffsführer

Um das Ergebnis vorwegzunehmen, die Klagen der Wassersportschulen hatten in keinem Fall Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm entschied im Jahr 2008 (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 08.05.2008 – 27 U 145/07), dass der Segelschüler nicht für die Beschädigung des Bootes aufgrund eines misslungenen Aufschießers mit anschließender Kollision mit der Steganlage hafte, da er auf der Prüfungsfahrt nicht als Schiffsführer des Segelbootes anzusehen sei. Schiffsführer bei einem Ausbildungsschiff sei immer der beaufsichtigende Ausbilder. Das gelte auch für die Prüfungsfahrt. Der Prüfling sei dagegen lediglich als Steuermann anzusehen. Ist dieser mangels ausreichender Fähigkeiten mit der konkreten Situation überfordert, so müsse der Ausbilder als Schiffsführer eingreifen, seine Befehlsgewalt ausüben und notfalls sogar das Manöver abbrechen. Dass ein solches Eingreifen in aller Regel für den Prüfling zum Nichtbestehen der Prüfung führen wird, befreie den Schiffsführer nicht von seiner schifffahrtsrechtlichen Pflicht und Verantwortlichkeit. Vorgelagert sei der Schiffsführer, so das Oberlandesgericht weiter, bereits für die Einsetzung des Steuermanns verantwortlich und dürfe diesem die Befehlsgewalt über das Boot nur dann und soweit übertragen, als dieser nach den gegebenen Umständen sicher imstande ist, das Schiff regelgerecht zu steuern. Ist dieses nach dem vorhandenen Ausbildungsstand nicht gewährleistet, müsse der Ausbilder sich nicht nur die ideelle Befehlsgewalt vorbehalten, sondern sich auch die tatsächliche Eingriffsmöglichkeit sichern. Dies könne bedeuten, dass er mit an Bord sein muss, um im Moment des letzten Augenblicks ggf. konkrete Kommandos erteilen und Hand anlegen zu können.

Ist der Prüfling mit der korrekten Durchführung des geforderten Manövers überfordert, so liegt nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts die Verantwortlichkeit für diese Überforderung nicht beim Segelschüler, sondern beim Schiffsführer, der der Besatzung (hier dem Prüfling) keine Steuermannsaufgaben übertragen darf, der sie in der konkreten Situation nicht gewachsen ist. Eine Haftung des Segelschülers verneinte das Oberlandesgericht Hamm und wies die Klage ab. Gleichzeitig stellte das Oberlandesgericht Hamm klar, dass auch der unerfahrene Prüfling nicht grundsätzlich von jeder Haftung befreit ist; insbesondere dürfe er nicht konkrete Handlungsanweisungen missachten, deren Ausführung ihm auch nach seinem Wissen und Können problemlos möglich ist. Dazu gehöre aber die allgemeine Aufforderung zu einem bestimmten Manöver, das den Prüfling nach seinen subjektiven Fähigkeiten überfordere, nicht.

Amtsgericht München: Keine Pflichtverletzung sowie Haftungsbeschränkung

Einen ähnlich gelagerten Fall musste das Amtsgericht München entscheiden (Urteil des Amtsgerichts München vom 29.06.2023 – 191 C 14599/22). Der dortige Beklagte hatte bei einer Segelschule einen 10-tägigen Segelausbildungstörn in Kroatien gebucht, der auf einem von der Segelschule angemieteten Segelboot durchgeführt wurde und auf den Erwerb des Sportküstenschifferscheins vorbereiten sollte. Bei einem Anlegemanöver zwei Tage vor dem Prüfungstermin beschädigte der Segelschüler das Boot, als er entgegen der Anweisung des Ausbilders das Boot nicht nach Steuerbord lenkte und das Schiff gegen den Betonsteg fuhr. Die Segelschule entschädigte den Vermieter des Bootes für den Unfallschaden und verlangte im Nachgang von dem Segelschüler die Erstattung des an den Vermieter gezahlten Betrags. Der Segelschüler kam der Zahlungsaufforderung jedoch nicht nach, weshalb die Segelschule den Segelschüler gerichtlich in Anspruch nahm.

Das Amtsgericht kam zu dem Ergebnis, dass der Segelschule kein Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Segelschüler zustehe und wies die Klage der Segelschule ab. Nach dem geschlossenen Vertrag schulde die Segelschule dem Segelschüler eine Ausbildung zum Führen von Segelbooten. Für die Haftung des Segelschülers könne daher an die Haftung von Kfz-Fahrschülern angeknüpft werden. Es sei daher auf die „im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ dieses Verkehrskreises abzustellen, hier also auf einen Segelschüler im Ausbildungsstand des Beklagten. Das Amtsgericht München stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die Segelschule keinen Sachverhalt vorgetragen habe, wonach von einem Segelschüler dieses Ausbildungsstandes das fehlerfreie Ausführen des zum Unfall führenden Manövers erwartet werden konnte und musste. Allein der Vortrag „entgegen der Anweisung das Ruder nicht Steuerbord gelenkt [sic]“ zu haben, versetze das Gericht nicht in die Lage, hieraus eine objektive Pflichtverletzung des Segelschülers anzunehmen. Es hätte, so das Amtsgericht weiter, dargestellt werden müssen, warum der Ausbilder nicht eingegriffen hatte oder nicht eingreifen konnte, obwohl der Ausbilder wie ein Fahrlehrer jederzeit hätte bereit sein müssen, einzugreifen. Die Fahrschule habe des Weiteren nicht dargelegt, dass der Beklagte eine völlig fernliegende und von seinem Ausbildungsstand nicht zu erahnende Handlung vorgenommen hatte, die auch den Ausbilder als Schiffsführer überraschen musste. Dagegen sei es einer Ausbildung immanent, dass das zuvor Gelernte noch nicht sofort und immer fehlerfrei vom Schüler umgesetzt wird. Darüber hinaus kam das Amtsgericht nach Auslegung des zwischen den Parteien bestehenden Vertrags zu dem Schluss, dass eine stillschweigende Haftungsbeschränkung vereinbart worden sei, die einer Haftung des Segelschülers ebenfalls entgegenstünde.

Fazit

Die vorstehenden Urteile zeigen: Unzureichende Manöver und daraus resultierende Schäden am Boot führen nicht zu einer Haftung des Segelschülers, sofern nach dem vorhandenen Ausbildungsstand eine ordnungsgemäße Durchführung der Manöver nicht sicher gewährleistet ist. Haftungsrelevant wird das Verhalten des Segelschülers erst, wenn er konkrete Handlungsanweisungen missachtet, deren Ausführung ihm auch nach seinem Wissen und Können problemlos möglich ist.