Wer haftet bei Strandung einer Segelyacht infolge fehlerhafter Fahrrinnenmarkierung?

Die grünen und roten Fahrwassertonnen sind unverzichtbare Navigationshilfen und stellen eine wesentliche Kennzeichnung des sicher zu befahrenden Fahrwassers dar. Ist die Betonnung unzureichend, etwa weil eine Tonne kurzzeitig zu Wartungszwecken entfernt worden ist, stellt sich die Frage, wer haftet, wenn ein Boot deswegen strandet, der Schiffsführer das Fehlen der Tonne aber hätte erkennen müssen. 

Der Fall

Mit der vorgenannten Fragestellung musste sich das Landgericht Lübeck und in zweiter Instanz das Oberlandesgericht Schleswig auseinandersetzen. Der rechtlichen Auseinandersetzung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die beklagte Gemeinde betreibt einen Kommunalhafen. Die Zufahrt von der Ostsee zum Hafen führt durch das seichte Gewässer eines Binnensees mit diversen Untiefen. Die Zufahrt ist durch eine Fahrrinne gesichert, die mit grünen und roten Tonnen gekennzeichnet ist. Die beklagte Gemeinde lässt die Tonnen regelmäßig durch ein ortsansässiges Fischereiunternehmen warten und austauschen, so auch am Tag der Havarie. Im Rahmen der Wartungsarbeiten waren die Tonnen 9 und 11 vorübergehend entfernt worden, um ausgetauscht zu werden. Der Austauschvorgang sollte nach Angaben des Fischereiunternehmens etwa 20 Minuten dauern. Das Fischereiunternehmen hatte an die Position der entfernten Fahrrinnentonne eine Netzmarkierungsboje gesetzt.

Der klagende Schiffseigner fuhr bei guten Sichtverhältnissen und ruhigem Seegang unter Motor auf seiner Segelyacht durch das Fahrwasser des Binnensees in Richtung des Kommunalhafens. Nach Passage der Tonne 9 nimmt die Fahrrinne einen kurvenförmigen Verlauf nach rechts. Die nächste an Steuerbord vorgesehene Tonne 11 befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht an ihrem Ort, so dass die Fahrrinne erst ab der folgenden Tonne 13 wieder mit grünen Tonnen markiert war. Auf Seekarten ist östlich der Tonne 11 eine Untiefe eingezeichnet. Zwischen den Tonnen 9 und 13 lief die Yacht auf und kam aufgrund der Strandung schlagartig zum Stillstand. Der an der Pinne stehende Schiffseigner wurde nach vorn geschleudert, stürzte aus der Pflicht in den Niedergang und kam auf dem Boden des Salons zum Liegen. Hierbei verletzte sich der Schiffseigner. Auch das Schiff nahm Schaden.

Der Schiffseigener nahm daraufhin die Gemeinde auf Schadensersatz unf Schmerzensgeld in Anspruch. Er hielt der Gemeinde vor, dass sie ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, indem das von ihr beauftragte Fischereiunternehmen die Tonne 11 aus ihrer vorgesehenen Position entfernte, ohne ein geeignetes Ersatzzeichen gesetzt zu haben.

Das Landgericht Lübeck (LG Lübeck, Urteil vom 19.09.2022 – 10 O 173/18) gab dem Schiffseigner Recht und verurteilte die Gemeinde zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Gemeinde habe zumindest fahrlässig die ihr obliegende Amtspflicht, den Schiffsverkehr im Binnensee sicher zu regeln, dadurch verletzt, dass sie bzw. das für sie als unselbständiger und weisungsgebundener Helfer tätige Fischereiunternehmen am Unfalltag zeitweise nicht für eine ordnungsgemäße Betonnung der Fahrrinne gesorgt hat. Nach Auffassung des Landgerichts stelle es ein schweres Versäumnis dar, dass die Tonne 11 aus der Kette der Markierungstonnen entfernt worden sei, ohne sie sogleich durch ein geeignetes Seezeichen zu ersetzen. Bei einem „Fahren nach Sicht“ – nach den Angaben des gehörten Sachverständigen immerhin der verbreiteten Praxis bei Durchfahren einer mit Tonnen gekennzeichneten Fahrrinne – läge es äußerst nahe, dass Bootsführer in der Position des klagenden Schiffseigners nach Passieren der Tonne 9 auf die als nächstes voraus liegende Tonne 13 zuhalten. Die fortlaufende Nummerierung der Tonnen böte bei Fehlen einer Tonne nur eine geringe Orientierungshilfe. Die jeweilige Nummer sei nämlich nicht schon aus der Ferne, sondern erst im Vorbeifahren erkennbar, so dass das Fehlen einer Tonne erst bei Erreichen der darauffolgenden Markierungstonne erkannt wird.

Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sei für das Auslaufen auf das Unterwasserhindernis ursächlich gewesen, so dass die Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche bestünden. Allerdings seien die Ansprüche wegen Mitverschuldens des Schiffseigners um ⅓ zu kürzen. Der geschädigte Schiffseigner sei gehalten gewesen, vor Einfahrt in die Fahrrinne in die Seekarten zu sehen und seinen Kurs festzulegen. Er hätte durch Navigieren nach Karte das Fehlen der Tonne 11 aufgrund des zu großen Abstands der folgenden Tonne 13 auf Tonne 9 oder durch zusätzliche Beobachtung der roten Backbordtonnen 8, 10 und 12 auf der gegenüberliegenden Seite der Fahrrinne erkennen müssen. Da das Verschulden der Gemeinde gleichwohl deutlich höher zu bemessen sei als jenes des Schiffseigners, beließ es das Landgericht bei einer Kürzung der Ansprüche um ⅓.

Die verurteilte Gemeinde legte gegen die Entscheidung des Landgerichts Berufung beim Oberlandesgericht Schleswig ein. Die Gemeinde stellte die Amtspflichtverletzung nicht in Abrede, sie vertrat jedoch die Auffassung, dass bei der Abwägung das Verschulden des Schiffseigners das Verschulden der Gemeinde übersteigen bzw. dieses vollständig verdrängen würde. Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 03.04.2023 – 7 U 177/22) folgte dieser Argumentation nicht, sondern bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Gegen ein überwiegendes Mitverschulden des Schiffseigners spräche bereits der Umstand, dass nicht nur der Schiffseigner, sondern auch noch ein weiteres Boot im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang an dieser Stelle auf Grund lief. Diese zweite Havarie zeige, dass die ersatzweise platzierte Netzmarkierungsboje zur Kennzeichnung der Fahrrinne offenbar vollkommen ungeeignet war und eine erhebliche Gefährdung des Schiffsverkehrs ausgelöst habe. Zwar habe der Sachverständige bestätigt, dass die platzierte Netzmarkierungsboje zur erhöhten Aufmerksamkeit der Schiffsführer hätte führen können, allerdings nicht, weil hierin eine ordnungsgemäße Ersatzmarkierung der Fahrrinne lag, sondern weil Schiffsführer hierdurch „irritiert” würden. Letztendlich bestätigte das Oberlandesgericht Schleswig den vom Landgericht festgestellten Mitverschuldensanteil des Schiffseigeners von ⅓.

Einordnung

Die Feststellung der Gerichte, dass die Gemeinde ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen ist, ist zutreffend und nachvollziehbar. Die Gemeinde verletzte die ihr obliegende Amtspflicht, den Schiffsverkehr in einer zum Kommunalhafen gehörenden Fahrrinne sicher zu regeln, indem sie zeitweise eine Fahrwassertonne ersatzlos aus der Fahrrinne entfernte.

Hinsichtlich des Mitverschuldensanteils des Schiffsführers kann man sicherlich darüber streiten, ob dieser zutreffend bemessen wurde. Die Entscheidung der Gerichte ist auch in diesem Punkt vertretbar, die Annahme eines geringeren Mitverschuldens ließe sich in Anbetracht des schwerwiegenden Verstoßes der Gemeinde aber auch hören. 

Fazit

Der Schiffsführer hat vor Einfahrt in eine Fahrrinne die Seekarten einzusehen und seinen Kurs festzulegen. Wer die Tonnen in einer gekennzeichneten Fahrrinne allein auf Sicht abfährt läuft Gefahr, bei einem Auflaufen infolge einer fehlerhaften bzw. fehlenden Fahrrinnenmarkierung die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen zu müssen.